Bürgermeister Matthias Nerlich zieht Halbzeitbilanz
Seit etwas mehr als vier Jahren ist Bürgermeister Matthias Nerlich im Amt. In einem Zehn-Punkte-Katalog hatte er während des Wahlkampfes seine wichtigsten politischen Ziele abgesteckt. Jetzt ist sozusagen Halbzeit - ein guter Zeitpunkt für eine Bestandsaufnahme.
Einige Punkte auf ihrer damaligen Liste haben Sie zügig umsetzen können, bei anderen Projekten ist noch ein wenig Geduld gefragt. Was lag Ihnen besonders am Herzen und was können Sie für sich als Erfolg verbuchen?
Matthias Nerlich: Von Anfang an stand für mich das Thema Familienfreundlichkeit an oberster Stelle. Für mich ist es wichtig, dass wir uns dabei an den Bedürfnissen der Eltern und Kinder orientieren und den Fokus auf die Qualität der Betreuung richten. Ein wichtiger Schritt in dieser Hinsicht war die Einstellung einer dritten Betreuungskraft für die Krippengruppen und die Reduzierung der Gruppengrößen in den Kindergärten.
Für viele Eltern ist es wichtig, dass ihre Kinder auch in der Grundschule über den Schulunterricht hinaus betreut und gefördert werden.
Deshalb ist die Ganztagsbetreuung an den Grundschulen ein weiterer Punkt, der mir sehr wichtig ist. . Als ich anfing, war das Angebot ziemlich dünn. Mittlerweile bietet jede Gifhorner Grundschule ein Ganztags- oder Hortangebot an. Und mit der Fritz-Reuter-Realschule ist auch eine weiterführende Schule dabei. Dafür geben wir richtig viel Geld aus, denn allein mit dem Geld des Landes, das wir für die Ganztagsbetreuung erhalten, wäre das auf diesem Niveau nicht zu machen. Deshalb investieren wir zusätzlich pro Schüler 400 Euro in eine qualitätsvolle Ganztagsbetreuung. Als nächstes werden wir das Schulessen verbessern.
Nicht nur die Veränderungen im Bildungsbereich kosten viel Geld. Wie steht es um den städtischen Haushalt?
Matthias Nerlich: Zu Beginn meiner Amtszeit lag der Schuldenberg bei über 40 Millionen Euro, Anfang 2016 sind es knapp unter 30 Millionen Euro, und das, obwohl wir viel investiert haben. An dieser Haushaltsdisziplin wird sich nichts ändern.
Was die Stadtentwicklung anbelangt, haben Sie ambitionierte Pläne. Die Umgestaltung des alten Krankenhausgeländes stand ganz oben auf ihrer Liste. Noch tut sich dort nichts. Was ist der Grund?
Matthias Nerlich: Wenn man sein Amt antritt, will man ganz schnell etwas auf den Weg bringen. Aber der Elan, mit dem man die Dinge gern anpacken möchte, ist das eine. Das andere sind die realen Bedingungen, die viel komplizierter sind und einer schnellen Lösung entgegenstehen. In diesem konkreten Fall hängt die Entwicklung des Areals vom Eigentümer ab. Ich habe gleich zu Anfang meiner Amtszeit ein Bürgerbeteiligungsprojekt durchgeführt, woran sehr viele Gifhorner mitgewirkt haben. Dabei sind tolle Vorschläge und eine Menge guter Ideen herausgekommen. Der Investor, der auch der Eigentümer ist, will sich bei der Bebauung daran orientieren. Das werte ich als Erfolg.
Für die seit langem angekündigte Umgestaltung des Busbahnhofes und der Bahnhofstraße haben Sie ebenfalls einen Wettbewerb ausgelobt. Wie ist der Stand des Projektes?
Matthias Nerlich: Wenn wir über öffentlichen Nahverkehr sprechen, dann geht es nicht nur um gute Bus- und Zugverbindungen. Wenn wir wollen, dass noch mehr Menschen auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen, dann braucht es auch ein Umfeld, das dazu einlädt. Das ganze Bahnhofsareal ist gelinde gesagt kein Ort, an dem man sich gerne aufhält. Das wird sich mit der Neugestaltung des Busbahnhofes und der Bahnhofstraße ändern.
Die Verzögerungen im Baubeginn hängen mit dem Fördermittelbescheid zusammen, der noch aussteht: 100 000 Euro Fördergelder, darauf können wir nicht verzichten. Werden die Mittel genehmigt, kann die Stadt Ende des Jahres mit den Bauarbeiten beginnen. Die Kosten für die Umgestaltung der ÖPNV-Anlagen und der Bahnhofstraße belaufen sich auf rund 4,25 Millionen Euro.
Ganz oben auf Ihrer Liste stand die Schaffung einer städtischen Wirtschaftsförderung. Warum war das so wichtig für Sie?
Matthias Nerlich: Bis zur Gründung der städtischen Wirtschaftsförderung und Stadtmarketing GmbH WiSta Anfang 2015, wurde die Wirtschaftsförderung praktisch nebenbei betrieben. Mein Anspruch war es jedoch, die Verwaltung so zu positionieren, damit wir uns als kompetenter Ansprechpartner für die heimischen Unternehmen anbieten könnten. Das ist nebenbei nicht zu leisten, sondern es bedarf eines eigenen Bereichs. Der neue Wirtschaftsförderer hat sein eigenes Büro seit knapp einem Jahr bezogen, die entsprechenden Strukturen sind aufgebaut und das Wirtschaftsförder-Team hat sich viel vorgenommen.
Ausreichend Wohnraum für alle, nicht nur für die besser Verdienenden. Viele Menschen erwarten von der Stadt, dass sie dafür die Voraussetzungen schafft. Wie wollen Sie das angehen?
Matthias Nerlich: Die Stadt erarbeitet derzeit Vorschläge, inwieweit Anreize geschaffen werden können, damit mehr Wohnungen im sozialen Wohnungsbau entstehen. Mit Geld allein wird das nicht gelingen. Derzeit sind die Zinsen so niedrig, dass geförderte Darlehen, die an den Bau von Sozialwohnungen gebunden sind, völlig unattraktiv sind. Ein möglicher Weg wäre deshalb, dass die Stadt eigene Flächen in Baugebieten zur Verfügung stellen würde, die unter den üblichen Konditionen lägen, um so den Bau von günstigen Mietwohnungen zu fördern. Konkrete Vorschläge wird die Stadtverwaltung in der Ratssitzung am 17. Januar unterbreiten.
Immer wieder wird kritisiert, dass nur zahlungskräftige Mieter von den aktuellen Wohnungsbauvorhaben profitierten. Haben wir eine echte Schieflage oder ist das eine ideoIogische Debatte?
Matthias Nerlich: Wir haben im Augenblick eine sehr große Nachfrage von Menschen aus ganz Deutschland, die bei größeren Unternehmen, zum Beispiel bei Volkswagen, eine Anstellung gefunden haben. Sie suchen Wohnraum, der ihrem gewohnten Standard entspricht. Andererseits müssen wir alle gesellschaftlichen Gruppen bedienen und da gibt es aktuell auch eine große Nachfrage nach kleinen, bezahlbaren Wohnungen - quer durch alle Bevölkerungsschichten.
Neben jungen Leuten, die ihre erste eigene Wohnung suchen, sind es auch ältere Menschen, die sich verkleinern und zentral wohnen möchten. Im Gegensatz dazu wünschen sich wiederum viele junge Familien ein Haus mit Garten. Wir haben also unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen mit unterschiedlichen Einkommensstrukturen und unterschiedlichen Bedürfnissen, für die es adäquate Angebote geben muss. Das ist die Herausforderung, vor der wir stehen.
Gibt es ein Vorhaben, von dem Sie sich haben verabschieden müssen?
Matthias Nerlich: Am liebsten würde ich sagen: Der Besuch aller Kitas in der Stadt ist kostenlos. Leider ist das aktuell nicht machbar. Es geht eben nicht alles gleichzeitig: Eine Top-Ausstattung in den Kitas, eine bessere Betreuungsqualität, neue Mensen - vor diesem Hintergrund können wir noch nicht auf die Einnahmen aus den Kitagebühren verzichten.